Besonders SUDEP-gefährdet sind Menschen, die an generalisierten bzw. fokalen zu bilateral tonisch-klonischen Anfällen (TKA) leiden. Dies gilt v.a., wenn diese Anfälle nachts im Schlaf vorkommen und niemand in der Nähe ist, der rechtzeitig Erste Hilfe leisten kann.
Kinder und Jugendliche haben nach neuesten Schätzungen dasselbe SUDEP-Risiko wie Erwachsene. Die Inzidenz beträgt in allen Altersgruppen etwa 1 von 1000 Personen im Jahr, d.h. 999 von 1000 Epilepsiepatienten im Jahr sterben nicht am SUDEP.
Selbst bei Kindern mit sogenannten "gutartigen" (benignen) Epilepsien des Kindesalters sind SUDEP-Fälle dokumentiert. Auch nach langjähriger Anfallsfreiheit kann ein erneut auftretender Anfall zum SUDEP führen.
Die meisten SUDEP-Fälle können bei rechtzeitigen Erste-Hilfe-Maßnahmen verhindert werden Deshalb müssen alle Patienten mit Epilepsie und ihre Angehörigen frühzeitig über die Mechanismen und Prävention des SUDEP aufgeklärt werden.
Wer ist SUDEP-gefährdet
Im Vergleich zur Allgemeinbevölkerung haben Personen mit Epilepsie ein zwei- bis dreimal erhöhtes Risiko für einen vorzeitigen Tod. Dies ist beispielsweise bedingt durch tödliche Verletzungen bei einem Anfall, Ertrinken im Anfall oder einen Status epilepticus. Auch Behandlungskomplikationen durch die medikamentöse Therapie, wie z.B. Allergien oder Leberversagen, sowie Komplikationen bei epilepsiechirurgischen Eingriffen sind hier von Bedeutung. Wie bei anderen chronischen Krankheiten, ist zudem auch die Suizidrate bei Menschen mit Epilepsie erhöht.
SUDEP kann zwar prinzipiell alle Menschen mit Epilepsie treffen. Bei vermeintlich benignen (gutartigen) Epilepsien wurden SUDEP-Fälle ebenso nachgewiesen wie nach langjähriger Anfallsfreiheit oder zu Beginn einer Epilepsieerkrankung (1).
Eine Reihe von Faktoren erhöhen aber, wie sich aus verschiedenen populationsbasierten Studien (2) ergibt, das Risiko für den plötzlichen Epilepsietod. Ein besonders hohes Risiko haben Personen, die tonisch-klonische Anfälle (TKA) haben. Dieses Risiko erhöht sich weiter, je häufiger TKA vorkommen. Insbesondere dann, wenn die TKA nachts auftreten und der Betroffene alleine schläft bzw. unüberwacht ist, d.h. niemand zeitnah Erste-Hilfe leisten kann, hat der Betroffene ein stark erhöhtes Todesrisiko (3). Die Höhe des individuellen SUDEP-Risikos hängt im Einzelfall vor allem von Charakteristika der Epilepsie und der Anfälle sowie von den Lebensumständen ab.

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1
Tonisch-klonische Anfälle
Besonders SUDEP-gefährdet sind Menschen, die an generalisierten bzw. fokalen zu bilateral TKA (früher: Grand Mal) leiden. Dabei steigt das Risiko mit der Anzahl von Anfällen. Patienten, die häufigere TKA erleiden (einen alle 3 Monate bis einen pro Monat), haben bereits ein um den Faktor 8 gegenüber Patienten ohne Anfälle dieses Typs erhöhtes Risiko. Das bedeutet, dass in jedem Jahr fast 8 von 1.000 Patienten mit häufigeren tonisch-klonischen Anfällen versterben (4).
2
Nächtliche Anfälle
Etwa zwei Drittel aller SUDEP-Fälle ereignen sich nachts. Epilepsiepatienten mit nächtlichen TKA haben daher gegenüber Menschen ohne nächtliche Anfälle ein um etwa 2,6 bis 3,9-fach erhöhtes Risiko, am SUDEP zu sterben (5).
3
Unbeobachtete Anfälle
Die meisten SUDEP-Fälle treten auf, wenn die betroffene Person - vor allem nachts - unbeaufsichtigt ist (6).
4
Unüberwachte nächtliche tonisch-klonische Anfälle
Das größte Risiko, am plötzlichen Epilepsietod zu sterben, haben Personen, für die die drei erstgenannten Risikofaktoren in Kombination zutreffen. Diese Personen haben nächtliche TKA und schlafen unüberwacht bzw. alleine. Dieses Risiko wurde zuletzt mit dem Faktor 67 (im Vergleich zu denjenigen, die keine nächtlichen TKA haben und die nicht alleine schlafen) berechnet. Das bedeutet, dass in jedem Jahr 67 von 1.000 unbeaufsichtigt schlafenden Epilepsiepatienten mit tonisch-klonischen Anfällen an einem SUDEP versterben. Ein noch höheres SUDEP-Risiko haben Personen, die mehr als 3 TKA im Jahr haben und alleine schlafen (82-fach erhöht).
Zum Vergleich: Menschen, die nächtliche schwere Anfälle haben, aber ihr Zimmer mit einer weiteren Person teilen, haben demgegenüber ein 18,65-fach erhöhtes Risiko, tatsächlich am SUDEP zu sterben (7).
5
Bauchlage
Die meisten der an SUDEP verstorbenen Menschen (etwa 75%) werden in Bauchlage vorgefunden, häufig mit dem Gesicht im Kissen (8). Es ist davon auszugehen, dass die Bauchlage das SUDEP-Risiko erheblich erhöht. Sie erschwert die Sauerstoffversorgung und das Abatmen von Kohlendioxid und verschlimmert dadurch erheblich die nach dem Anfall (in der sog. postiktalen Phase) eintretenden Atemstörungen (9).
6
Unregelmäßige Medikamenteneinnahme (Malcompliance)
Auch die unregelmäßige Einnahme der Epilepsiemedikamente erhöht das SUDEP-Risiko (10).
7
Unzureichende Anfallskontrolle
Ist der Patient nicht austherapiert erhöht sich sein Risiko. Nicht selten wird versäumt, den therapeutischen Erfolg durch einen Medikamentenwechsel oder ein weiteres Medikament zu verbessern, wenn der Patient weiterhin Anfälle hat. Dies erhöht das SUDEP-Risiko um den Faktor 4,7-6 (11). Hingegen scheinen weder eine Polypharmakotherapie noch einzelne Substanzen per se das SUDEP-Risiko zu erhöhen (12).
8
Neueindosierung oraler Verhütungsmittel / Schwangerschaft
Bei Neueindosierung von hormonellen Verhütungsmitteln und anderen Medikamenten mit starker Aktivierung der Leberenzyme kann es zu einem Abfall der Blutspiegel der Epilepsiemedikamente und damit einem erhöhten Anfallsrisiko kommen. Ebenso können bei einer Schwangerschaft die Blutspiegel der Epilepsiemedikamente absinken.
9
Weitere Risikofaktoren
Insbesondere das Alter, das Geschlecht sowie genetische Faktoren scheinen das SUDEP-Risiko zu beeinflussen. So scheinen Jungen bzw. Männer ein etwas höheres SUDEP-Risiko als Mädchen bzw. Frauen zu haben. Des Weiteren scheinen Personen im Alter bis 40 Jahren ein erhöhtes Risiko zu haben.
Das Dravet-Syndrom ist eine seltene aber schwere Form der Epilepsie, die in vielen Fällen durch eine genetische Mutation ausgelöst wird. Auch Patienten mit Dravet-Syndrom haben durch die Schwere und Häufigkeit der Anfälle ein erhöhtes SUDEP-Risiko.
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(1) Surges, DGfE Kommission „Patientensicherheit“, 2021; Verducci, 2019; Hebel, 2018.
(2) Tomson, 2008; Tomson, 2016; Sveinsson, Risk factors, 2020.
(3) Surges, DGfE Kommission „Patientensicherheit“, 2021; Lamberts, 2012; Sveinsson, Risk factors, 2020.
(4) Harden, SUDEP-Leitlinien USA, 2017.
(5) Noe, 2020.
(6) Surges, DGfE Kommission „Patientensicherheit“, 2021; Langan, 2005; Sveinsson, Risk factors, 2020; van der Lende, 2018; Hesdorffer u.a. 2018; Harden, SUDEP-Leitlinien USA, 2017;
Noe, 2020.
(7) Noe, 2020.
(8) Liebenthal, 2015
(9) Surges, DGfE Kommission „Patientensicherheit“, 2021; Liebenthal, 2015.
(10) Surges, DGfE Kommission „Patientensicherheit“, 2021; Sveinsson, Treatment, 2020.
(11) Harden, SUDEP-Leitlinien USA, 2017.
(12) Surges, DGfE Kommission „Patientensicherheit“, 2021; Hesdorffer, 2012; Pensel, 2020; Sveinsson, Treatment, 2020.