SUDEP weltweit
Wie sieht es in anderen Ländern mit der Aufklärung über SUDEP aus? Welcher Facharztstandard existiert dort? Gibt es Leitlinien?
Aufklärungs- und Öffentlichkeitsarbeit weltweit
Im angloamerikanischen Raum ist die Öffentlichkeits- und Aufklärungsarbeit rund um SUDEP vergleichsweise gut entwickelt. Dies ist insbesondere dem großen privaten Engagement von Hinterbliebenen, einer größeren Bereitschaft, das eigene Schicksal öffentlich zu machen, sowie einem kulturell bedingten erweiterten Gemeinnützigkeitsverständnis zu verdanken. In England bzw. dem UK hatte und hat insbesondere die bereits 1996 von Hinterbliebenen gegründete Initiative SUDEP Action (früher: Epilepsy Bereaved) maßgeblichen Einfluss auf die Aufklärungs- und Forschungsarbeit rund um SUDEP und Epilepsie; besonders hervorzuheben ist die spezialisierte Trauerbegleitung für SUDEP-Hinterbliebene (eine Art Telefonseelsorge, die auch Menschen, die nicht in England / UK leben, offensteht).
Aus dieser modellhaften Initiative haben sich in Australien (SUDEP Global Conversation), Kanada (SUDEP Aware) und später auch den USA (u.a. CURE - Citizens United for Research in Epilepsy, Danny Did Foundation, Cameron Boyce Foundation) mittlerweile starke Gruppen und Organisationen gebildet, die durch konsequente Lobby- und Öffentlichkeitsarbeit und Einwerbung von Spenden sowohl eine breite Aufklärung als auch Forschungsprojekte zum Thema SUDEP nachhaltig unterstützen.
2013 gründete die US-amerikanische Epilepsy Foundation das SUDEP Institute. Hierbei handelt es sich um ein Gemeinschaftsprojekt gemeinnütziger Organisationen (u.a. CURE, SUDEP Aware, Danny Did Foundation, AES), renommierter Forscher und Mediziner, Elternvertretern und Regierungsbehörden. Das SUDEP Institute forscht, bildet Familien und Ärzte aus und berät Hinterbliebene.
In den USA werden zudem von der Organisation PAME (Partners Against Mortality in Epilepsy) seit 2012 alle zwei Jahre Konferenzen zum Thema „Sterblichkeit und SUDEP“ organisiert, die gleichermaßen für Ärzte, Forscher und Epilepsiepatienten sowie ihre Angehörigen geöffnet sind.
SUDEP-Todesregister
2012 wurde das North American SUDEP Registry (NASR) gegründet. Es handelt sich um eine Kooperation einer internationalen Gruppe von Epileptologen, Epidemiologen, Pathologen bzw. Rechtsmedizinern, Wissenschaftlern und betroffenen Familienmitgliedern aus den Vereinigten Staaten und Kanada in Zusammenarbeit mit Laien- und Interessenvertretungsorganisationen. Das NASR hat zum Ziel, die Erforschung der dem SUDEP zugrunde liegenden Mechanismen und Risikofaktoren weiter voranzutreiben und Präventionsstrategien zu identifizieren. Dieses Ziel soll durch den Aufbau einer klinischen Daten- und Gewebebank zu SUDEP / epilepsiebedingten Todesfällen, eine verbesserte statistische Erfassung der epilepsiebedingten Sterblichkeit, die Unterstützung der kollaborativen Forschung sowie die Bereitstellung von DNA / Gewebe und klinischen Daten aus epilepsiebedingten Todesfällen an die breitere wissenschaftliche Gemeinschaft erreicht werden.
Auch wenn man nicht in den USA lebt, kann man an das in New York ansässige NASR Todesfälle melden, die im Zusammenhang mit SUDEP stehen. Es kommt dann zu einer Kooperation zwischen den örtlichen rechtsmedizinischen Instituten und dem NASR. Eine vergleichbare Gewebedatenbank gibt es weder in Deutschland noch sonst in Europa. Mit einer Registrierung unterstützen Sie die Forschung über SUDEP. Wir helfen Ihnen gerne dabei, in Kontakt mit dem NASR zutreten. Nähere Informationen finden Sie hier.
Auch in England gibt es ein Register, an das epilepsiebedingte Todesfälle gemeldet werden können. Dieses 2013 von SUDEP Action in Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern gegründete Epilepsy Deaths Register erhebt Daten, die von Wissenschaftlern zu Forschungszwecken genutzt werden können. Anders als das NASR werden keine Gewebe- und DNA-Proben gesammelt. Auch wenn man nicht in England lebt, kann man an das Register epilepsiebedingte Todesfälle melden, die im Zusammenhang mit SUDEP bzw. Epilepsie stehen. Wir helfen Ihnen gerne dabei, in Kontakt mit dem Epilepsy Deaths Register zu treten.
Medizinische Leitlinien zu Epilepsie und SUDEP weltweit
In Deutschland gibt es bislang nur vereinzelte Hinweise auf SUDEP in medizinischen Leitlinien (siehe Leitlinien), maßgeblich für den Facharztstandard sind insoweit die 2021 veröffentlichten Empfehlungen der Kommission für Patientensicherheit zum Umgang mit dem SUDEP-Risiko (siehe Praxisempfehlungen).
Wie halten es die anderen Länder?
SUDEP-Leitlinien: England und Wales
Die für England und Wales gültigen klinischen Leitlinien „Epilepsies: Diagnosis and Management“ des National Institute for Health and Care Excellence (NICE), veröffentlicht am 11.01.2012 und zuletzt aktualisiert am 11.02. 2020, empfehlen eine Aufklärung über SUDEP. Der Behandler soll dem Patienten die individuellen Risikofaktoren und Möglichkeiten zur Risikominimierung erläutern. Die Leitlinie betrifft die Behandlung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. In Abschnitt 1 der Richtlinien werden Grundprinzipien des Arzt- Patienten-Verhältnisses und der Aufklärung über Epilepsie dargestellt, die wir Ihnen an dieser Stelle übersetzt zur Verfügung stellen:
1.1 Kommunikationsgrundsätze
1.1.1 Behandler sollten einen Beratungsstil anwenden, der es dem Kind, Jugendlichen oder Erwachsenen mit Epilepsie und gegebenenfalls seiner Familie und/oder Betreuern ermöglicht, als Partner an allen Entscheidungen über ihre Gesundheitsversorgungteilzunehmen. Die Beratung soll die ethnische Herkunft, Kultur und spezifischen Bedürfnisse in vollem Umfang berücksichtigen.
1.2 Umgang mit Epilepsie
1.2.1 Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Epilepsie sowie ihre Familien und/oder Betreuer sollten in die Lage versetzt werden, so gut wie möglich mit der Erkrankung umzugehen.
1.2.2 Erwachsene sollten angemessene Informationen und Aufklärung über alle Aspekte der Epilepsie erhalten. Dies kann am besten durch strukturierte Selbstmanagementpläne erreicht und aufrechterhalten werden.
1.2.3 Bei Kindern und Jugendlichen kann die Selbstverwaltung von Epilepsie am besten durch aktive kinderzentrierte Ausbildungsmodelle und Interventionen erreicht werden.
1.2.4 Angehörige des Gesundheitswesens sollten ihre Patienten und Angehörigen auf das Experten-Patientenprogramm der Regierung für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Epilepsie hinweisen, das sie dazu befähigt, so gut wie möglich mit der Erkrankung umzugehen.
1.3.1 Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Epilepsie sowie ihre Familien und/oder Betreuer sollten Informationen erhalten und Zugang zu Informationen haben über:
• Epilepsie im Allgemeinen
• Diagnose- und Behandlungsmöglichkeiten
• Medikamente und Nebenwirkungen
• Anfallstyp(en), Auslöser und Anfallskontrolle
• Management und Selbstversorgung
• Risikomanagement
• Erste Hilfe, Sicherheit und Verletzungsprävention in der Schule und am Arbeitsplatz
• psychologische Probleme
• soziale / medizinische Hilfestellungen, soziale Dienstleistungen
• Versicherungsfragen
• Bildung und Gesundheitsversorgung in der Schule
• Beschäftigung und unabhängiges Leben für Erwachsene
• Bedeutung, die Epilepsieerkrankung am Arbeitsplatz offenzulegen, ggf. mithilfe von gemeinnützigen Einrichtungen
• Verkehrssicherheit und Fahrverhalten
• Prognose
• plötzlicher Tod bei Epilepsie (SUDEP)
• Status epilepticus
• Lebensstil, Freizeit und soziale Fragen (einschließlich Freizeitdrogen, Alkohol, sexuelle Aktivität und Schlafentzug) • Familienplanung und Schwangerschaft
• gemeinnützige Organisationen, insbes. Patientenorganisationen und andere Einrichtungen und wie sie mit ihnen in Kontakt treten können
1.3.2 Wann der Behandler diese Informationen geben sollte, hängt von der Sicherheit der Diagnose und der Frage ab, ob weitere Untersuchungen zur Diagnosesicherung erforderlich sind.
1.3.3 Die Informationen sollten in Formaten, Sprachen und Wegen bereitgestellt werden, die den Bedürfnissen des Kindes, jugendlichen Menschen oder Erwachsenen entsprechen. Das Entwicklungsalter, das Geschlecht, die Kultur und der Lebensabschnitt der Person sollten berücksichtigt werden.
1.3.4 Wenn Kinder, Jugendliche und Erwachsene und ihre Familien und/oder Betreuer noch keine qualitativ hochwertigen Informationen von gemeinnützigen Einrichtungen oder anderen Quellen gefunden haben, sollten Behandler sie über verschiedene Quellen informieren (gegebenenfalls über das Internet).
1.3.5 Bei der Beratung sollte sich der Behandler ausreichend Zeit für die Bereitstellung von Informationen nehmen. Die Beratung sollte bei späteren Terminen wiederholt werden.
1.3.6 Der Behandler sollte Checklisten verwenden, um sicherzugehen, dass sämtliche wesentlichen Punkte bei den Patienten sowie ihren Angehörigen abgefragt werden bzw. diese über sämtliche wesentlichen Punkte aufgeklärt werden.
1.3.7 Jeder Behandler, der Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Epilepsie betreut oderbehandelt, sollte in der Lage sein, wesentliche Informationen bereitzustellen.
1.3.8 Das Kind, der Jugendliche oder Erwachsene mit Epilepsie und gegebenenfalls deren Familie und/oder Betreuer sollten wissen, wen sie im Notfall wie kontaktieren können, wenn Informationen benötigt werden. Diese benannte Person sollte Mitglied des Gesundheitsteams und dafür verantwortlich sein, dass die Informationsbedürfnisse des Kindes, der Jugendlichen oder des Erwachsenen und/oder ihrer Familie und/oder Betreuer erfüllt werden.
1.3.9 Die Wahrscheinlichkeit, dass es zu einem Anfallsgeschehen kommt, sollte vorab insbesondere mit denjenigen Patienten bzw. Angehörigen erörtert werden, die ein hohes Risiko haben, Krampfanfälle zu erleiden (z.B. nach schwerer Hirnverletzung, Personen mit Lernbehinderung oder mit genetischer Veranlagung).
1.3.10 Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Epilepsie sollten angemessen informiert werden, bevor sie wichtige Entscheidungen treffen (z. B. in Bezug auf Schwangerschaft oder Beschäftigung).
Plötzlicher unerwarteter Tod bei Epilepsie (SUDEP)
1.3.11 Informationen über SUDEP sollten in den Informationen, die der Patient über Epilepsie erhält, aufgenommen werden, um ihm klar zu machen, warum die Verhütung von Anfällen so wichtig ist. Maßgeschneiderte Informationen über das relative SUDEP-Risiko sollten Teil der Checkliste für Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit Epilepsie und deren Familien und/oder Betreuer sein.
1.3.12 Das SUDEP-Risiko kann minimiert werden durch:
• Optimierung der Anfallskontrolle
• sich der möglichen Folgen nächtlicher Anfälle bewusst zu sein.
1.3.13 Maßgeschneiderte Informationen und Diskussionen zwischen dem Kind, Jugendlichen oder Erwachsenen mit Epilepsie, seiner Familie und/oder Pflegekräften und Angehörigen der Gesundheitsberufe sollten das geringe, aber eindeutige Risiko von SUDEP berücksichtigen.
1.3.14 Sind Familien und/oder Betreuer von SUDEP betroffen, sollten sich Angehörige des Gesundheitswesens an Familien und/oder Betreuer wenden, um ihr Beileid auszusprechen, sie einladen, über den Tod zu sprechen, und sie auf Trauerberatung und Unterstützungsgruppen hinweisen.
1.3.15. Frauen und Mädchen mit Epilepsie benötigen genaue Informationen über das SUDEP-Risiko während der Schwangerschaft. Die Möglichkeit des Status epilepticus und SUDEP sollte mit allen Frauen und Mädchen diskutiert werden, die planen, die medikamentöse Therapie zu beenden.
SUDEP-Leitlinien: Schottland
Die für Schottland gültigen klinischen Leitlinien „Diagnosis and management of epilepsy in adults“ des Scottish Intercollegiate Guidelines Network (SIGN), veröffentlicht im Mai 2015 und zuletzt aktualisiert 2018, empfehlen gleichfalls eine Aufklärung über SUDEP. Die Leitlinie betrifft – anders, als es ihre Bezeichnung vermuten lässt - die Behandlung von Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen.
Unter 1.1. heißt es im Vorwort unter „The need for a guideline“ (Die Notwendigkeit einer Leitlinie):
"Epilepsie birgt ein geringes, aber signifikantes Sterblichkeitsrisiko, das bei unvollständiger Anfallskontrolle erhöht wird. Besonders zu berücksichtigen ist die bei der Erstdiagnose, der medikamentösen Behandlung, des Managements von Schwangeren mit Epilepsie und der Bereitstellung von Patienteninformationen. Es ist wahrscheinlich, dass die Inzidenz eines plötzlichen Epilepsietodes (SUDEP) reduziert werden könnte, wenn die antiepileptische Behandlung immer optimiert und die Patienten auf die Bedeutung der Adhärenz aufmerksam gemacht würden. Es gibt Raum für Verbesserungen bei der Diagnose und Verwaltung des Status epilepticus und in der Betreuung und Beratung für Frauen im reproduktiven Alter. Menschen mit Epilepsie berichten oft von unzureichender Information und Beratung. Dieser Bedarf wurde in der vorherigen Leitlinie hervorgehoben, und über zehn Jahre später besteht immer noch ein großer Beratungsbedarf sowohl in der Primär- als auch in der Sekundärversorgung."
Die unter 1.3 gegebenen Empfehlungen entsprechen denen aus England und Wales.
In den schottischen Leitlinien wird unter Ziffer 5. detailliert auf die SUDEP-Risiken bei Schwangerschaften hingewiesen.
Unter Ziffer 7. heißt es unter der Überschrift „Schlaf“:
7.3 SUDEP und Schlaf
SUDEP wird in Abschnitt 8 ausführlich behandelt. An dieser Stelle ist jedoch hervorzuheben, dass empirische Daten darauf hindeuten, dass Personen mit häufigeren nächtlichen Krampfanfällen einem erhöhten SUDEP-Risiko ausgesetzt sind, wobei sich etwa 60 % der Fälle von SUDEP im Schlaf ereignen.
Behandler sollten Patienten mit nächtlichen Anfällen über das erhöhte SUDEP-Risiko im Rahmen der Beratung über die Risiken von Epilepsie und präventiven Maßnahmen (insbesondere die Einhaltung der antiepileptischen Arzneimittelbehandlung) beraten.
Detailliert führt die Leitlinie unter Ziffer 8 zu SUDEP aus:
8.1 SUDEP
Von allen epilepsiebedingten Todesursachen ist SUDEP wegen der Plötzlichkeit und der verheerenden Auswirkungen diejenige, der am meisten Aufmerksamkeit zuzuwenden ist. (…)
Die SUDEP-Definition ist lediglich deskriptiv. Sie erlaubt keinen Aufschluss über die die möglichen Ursachen des Phänomens. Die geschätzte Inzidenz von SUDEP hängt von den untersuchten Populationen und der Studienmethodik ab. Gemeinschaftsbasierte Studien an nicht ausgewählten Kohorten von Epilepsiefällen weisen das geringste Risiko für Verzerrungen auf und geben Inzidenzen zwischen 0,09 und 0,35/1 .000 Patientenjahren an. Studien an vorherrschenden Populationen geben Inzidenzen zwischen 0,9 und 2,3/1.000 Patientenjahren an, während die Schätzungen bei Patienten, die auf eine Epilepsieoperation warten, mit 6,3 bis 9,3/ 1.000 Patientenjahren deutlich höher sind.
8.1.1 RISIKOFAKTOREN
Anfallstypus und Häufigkeit
Generalisierte tonisch-klonische Anfälle (GTCS) sind der Hauptrisikofaktor für SUDEP, wobei Studien ein erhöhtes Risiko bei Personen zeigen, die häufigere GTCS erlitten haben. Eine Metaanalyse von 112 RCTs hat die Rolle von GTCS weiterverdeutlicht (…). Aus der direkten Beobachtung von SUDEP-Fällen in Video-EEG-Einheiten und aus Fallberichten weiß man, dass SUDEP eher während GTCS im Schlafauftritt. Weitere Belege für die Anfälle als Hauptrisikofaktor werden dadurch belegt, dass Patienten, die sich einer erfolgreichen Epilepsieoperation unterziehen, im Vergleich zu Patienten, deren Anfälle anhalten, ähnliche SMRs wie die Hintergrundpopulation haben. Die frühzeitige Identifizierung der behandlungsresistenten Epilepsie (siehe Abschnitt 4.3) und eine epilepsiechirurgische Behandlung (siehe Abschnitt 4.9) zur Verringerung der Anfallshäufigkeit können die Inzidenz von SUDEP verringern.
Medikamententherapie
Es gibt keine überzeugenden Beweise dafür, dass SUDEP durch eine einzelne oder Kombination von AEDs verursacht wird.
Diagnose und Behandlung von Epilepsie bei Erwachsenen
Medikamentencompliance
Eine große empirische Studie in den USA hat einen Zusammenhang zwischen schlechter Medikamentencompliance und erhöhter Sterblichkeit aufgezeigt.(…)
Sonstige Risikofaktoren
Frühes Alter des Beginns der Epilepsie, AED-Polytherapie, begleitende psychotrope Medikamente und Alleine-Schlafen wurden als Risikofaktoren für SUDEP benannt. (…)
Behandler und Patienten sollten eine vollständige Anfallsfreiheit anstreben, um das SUDEP-Risiko zu verringern. Die Einhaltung des vorgeschriebenen Antiepileptika-Regimes sollte nachdrücklich gefördert werden, und der Patient sollte aufgefordert werden, alle Nebenwirkungen zu melden, welche die Compliance beeinträchtigen könnten, um das SUDEP-Risiko zu verringern.
Patienten, die im Vorjahr unter aktiven epileptischen Anfällen, insbesondere generalisierten tonisch-klonischen Anfällen, litten, sollten von einem Facharzt und spezialisierten Pflegepersonal untersucht und aufgeklärt werden. Das erhöhte SUDEP-Risiko für Patienten mit nächtlichen Anfällen sollte hervorgehoben werden. Eine nächtliche Überwachung sollte in Betracht gezogen werden.
Patienten, die sich in Video-EEG-Einheiten befinden und deren Antiepileptika reduziert werden, müssen vor dem Risiko von SUDEP gewarnt werden, obwohl das Risiko gering ist.
Es ist wünschenswert, dass Video-EEG-Einheiten die Sauerstoffsättigung messen sowie EKG und EEG. Video-EEG-Einheiten müssen über ein ausreichendes Personal verfügen, um sofort reagieren zu können, wenn der Patient Atemstörungen oder eine signifikante Herzrhythmusstörung aufweist.
8.1.2 SUDEP-MECHANISMEN
Die SUDEP-Mechanismen sind noch nicht hinreichend erforscht. Bis sie es sind, können endgültige Ratschläge über die Rolle von Anfalls-Alarmsystemen, Matratzenalarmsystemen und der Vermeidung der Bauchlage während des Schlafes nicht gegeben werden. Eine Studie, die 16 direkt beobachtete Fälle von SUDEP (14 davon nächtlich) weltweit in Video-EEG-Einheiten erfasst, berichtet, dass SUDEP-Todesfälle nach einem GTCS in der Regel während des Schlafes aufgetreten sind. Die unmittelbare postiktale Phase wurde von schneller Atmung, Bradykardie oder Tachykardie begleitet, gefolgt von einer terminalen Apnoe und Asystolie. Die Autoren kommen zu dem Schluss, dass SUDEP nach GTCS aufgrund einer schweren zentralen Störung der Herz- und Atemfunktion auftritt. Die Erörterung dieser und anderer vorgeschlagener Mechanismen für SUDEP geht über den Rahmen dieser Leitlinie hinaus.
8.1.3 BERATUNG VON PATIENTEN ÜBER DIE RISIKEN VON SUDEP
Eine Studie mit Epilepsiepatienten in der Altersgruppe 16-30 Jahre ergab, dass die Mehrheit Informationen über SUDEP wünscht und dass sie diese Informationen lieber von Angesicht zu Angesicht in der Klinik als per Flyer erhalten würden. Aufklärung über das SUDEP-Risiko kann anfänglich Angst hervorrufen, aber es gibt keine Belege dafür, dass diese von langer Dauer sind. Es gibt bislang keine belegbaren Daten dafür, dass die Kenntnis von SUDEP die Einhaltung der Behandlung verbessert. Patienten mit Epilepsie sollten zu einem geeigneten Zeitpunkt und durch einen geeigneten Arzt (Neurologe, Arzt mit Interesse an Epilepsie, Facharzt oder speziell ausgebildetes Fachpersonal) über das SUDEP-Risiko aufgeklärt werden.
SUDEP-Leitlinien: USA
Die für die USA gültigen klinischen Leitlinien (hier zur Zusammenfassung) der amerikanischen Neurologie- und Epilepsie-Fachgesellschaften American Academy of Neurology (AAN) und der American Epilepsy Society (AES) aus dem Jahre 2017 geben ebenfalls differenzierte Empfehlungen zur SUDEP-Aufklärung.
Der Leitlinie liegt eine systematische Analyse von 12 Klasse 1-Studien zu Grunde, die Rückschlüsse über die Häufigkeit und die spezifischen Risikofaktoren eines SUDEP ermöglichen und so dabei helfen, die für eine Patientenaufklärung relevanten Themen zu identifizieren.
Durch die Leitlinie soll den behandelnden Neurologen und Neuropädiatern die Aufklärung der Patienten erleichtert werden. Es wird als sinnvoller Weg der Aufklärung vorgeschlagen, den Patienten das lediglich geringe Risiko eines SUDEP zu veranschaulichen. Dies soll dabei helfen, die bereits durch die bloße Information über SUDEP bestehende Gefahr einer Überschätzung des Risikos zu relativieren. Die US-amerikanische Leitlinie empfiehlt, sowohl die in der Studie ermittelte Wahrscheinlichkeit eines SUDEP als auch die Wahrscheinlichkeit dafür, dass dieser nicht eintritt, in Zahlen als auch in Worten anzugeben. Weiterhin erfolgt – ausgehend von den statistisch unterschiedlich hohen Risiken eines SUDEP, von denen man 2017 noch ausging (1) - eine Unterscheidung in der Aufklärung von Erwachsenen und Kindern.
Für Erwachsene wird folgende Aufklärung vorgeschlagen:
· Das Risiko für SUDEP ist gering. („small risk“)
· In einem Jahr stirbt durchschnittlich 1 von 1.000 Erwachsenen mit Epilepsie an SUDEP, oder
in anderen Worten, 999 von 1.000 Erwachsenen mit Epilepsie sind davon nicht betroffen.
Für Kinder soll die Aufklärung angepasst an das – 2017 für geringer als bei Erwachsenen gehaltene Risiko - wie folgt erfolgen (2):
· Das Risiko für SUDEP ist bei Kindern mit Epilepsie sehr gering. („rare risk“)
· In einem Jahr ist durchschnittlich 1 von 4.500 Kindern von SUDEP betroffen;
in anderen Worten: 4.499 Kinder mit Epilepsie sind nicht betroffen.
Als besonders relevanter Risikofaktor wird aufgrund der Auswertung der Publikationen das Auftreten und die Häufigkeit von generalisierten tonisch-klonischen Anfällen identifiziert. Hiervon ausgehend empfiehlt die Leitlinie eine nächtliche Überwachung von Risikopatienten. Es habe sich aus den Studien – abhängig von der jeweiligen Überwachungsmethode – eine Risikoverringerung um 60-90 % gezeigt. Ebenfalls wird empfohlen, die Patienten auf die Wichtigkeit einer möglichst zu erreichenden Anfallsfreiheit und die hierzu zumeist erforderliche regelmäßige Medikamenteneinnahme hinzuweisen. Bei Patienten mit unzureichender Anfallskontrolle besteht nach Auswertung der Studien ein erhöhtes SUDEP-Risiko.
Hinzuweisen ist darauf, dass die in der US-Leitlinie genannten SUDEP-Inzidenzen bei Kindern und Jugendlichen nach neueren Erkenntnissen zu niedrig sind; tatsächlich liegt die Inzidenz bei Kindern und Jugendlichen – genauso wie bei Erwachsenen – bei etwa 1,1 Fällen pro 1000 Patientenjahren. (3)
SUDEP-Leitlinien: sonstige Länder
Über den Umgang anderer Kulturen und Länder, auch von EU-Mitgliedsländern, mit dem SUDEP-Risiko liegen uns bislang keine Erkenntnisse vor. Sollten Sie hier differenzierte Kenntnisse haben, freuen wir uns über Hinweise an stop.sudep@oskarkillinger.org.
... zur vollständigen Publikationsliste
(1) Mittlerweile geht man nach allgemeiner Auffassung davon aus, dass die Inzidenzen für Kinder und Jugendlichen ebenso wie bei Erwachsenen bei etwa 1,1 bis 1,2 SUDEP-Fälle pro 1000 Patientenjahren liegen (vgl. Surges, DGfE Kommission „Patientensicherheit“, 2021; Keller, 2018).
(2) Diese Auffassung ist mittlerweile veraltet, siehe vorgehende Fußnote.
(3) Surges, DGfE Kommission „Patientensicherheit“