Liebe Frau Romero,
Sie sind im Vorstand von Dup15q e.V., einem neuen Verein, der die Familien von Menschen mit Dup15q-Syndrom stärken will, indem er über das Syndrom informiert und Aufmerksamkeit schafft. Dup15q ist noch so gut wie unbekannt. Auch die behandelnden Ärzte wissen oft nur wenig darüber. Wie genau äußert sich das Syndrom?
Das Dup15q-Syndrom ist eine seltene genetisch bedingte Erkrankung, die schätzungsweise bei einem von 15.000 Neugeborenen auftritt. Ein instabiler Bereich des maternalen q-Arms von Chromosom 15, die „Prader-Willi-/ Angelman-Syndrom-kritische Region“ von 15q11.2-q13.1, wurde mindestens einmal zusätzlich kopiert. Die Symptome sind unspezifisch und durch die fehlende routinemäßige genetische Analyse dauert es auch oft lange, bis die Diagnose gestellt wird. Ebenso kursieren viele verschiedene Namen für den Gendefekt, die die Familien noch zusätzlich verwirren.
Zu den Symptomen des Dup15q-Syndroms gehören globale Entwicklungsverzögerungen, Muskelhypotonie, sensorische Verarbeitungsstörungen, Autismus-Spektrum-Störungen und eben auch Epilepsie.
Bei ca. 60 % der Betroffenen tritt im Laufe des Lebens eine Epilepsie auf. Die Anfälle beginnen am häufigsten im Alter zwischen 6 Monaten und 9 Jahren, können jedoch in jedem Alter anfangen. Beim Dup15q-Syndrom umfasst die Epilepsie oft mehrere Anfallsarten – BNS-Anfälle, myoklonische, tonisch-klonische, Absencen und/oder fokale Anfälle. Teilweise treten die Anfälle nur bzw. vor allem nachts auf und es wird von einer abnormalen Schlafarchitektur und auftretenden ESES (Electrical Status Epilepticus in Sleep) berichtet.
Was sind die Ziele des Vereins? Woran arbeitet ihr gerade?
Wir sind ein Selbsthilfeverein von Eltern für Eltern, deren Kinder vom seltenen Gendefekt Dup15q betroffen sind. Wir sind in Deutschland, in Österreich und in der Schweiz aktiv und helfen den Familien, die Diagnose „Kind mit Behinderung“ emotional anzunehmen, zu verstehen und mit unserer Aufklärung ihr Kind bestmöglich in seiner Entwicklung zu fördern. Wir bieten u.a. ein umfangreiches Willkommensbuch über das Syndrom, Newsletter, die jährlich erscheinende Mitgliederzeitschrift „quietschbunt“, Familientreffen und digitale Gesprächskreise und Seminare an.
Darüber hinaus bauen wir aktuell in Kooperation mit der Universitätsklinik Heidelberg eine interdisziplinäre Spezialsprechstunde für betroffene Familien auf. Durch die fehlenden Erfahrungswerte und Vergleiche, machen unsere Familien oftmals eine Ärzte-Odysee durch und werden von einem Fachgebiet ins Nächste geschickt. Es fehlt bisher teils an den richtigen Untersuchungen und Bewusstsein über die Zusammenhänge des Syndroms sowie Forschungsprojekten. Viele Betroffene erhalten trotz hoher Epilepsieprävalenz und häufig berichteter nächtlicher Anfälle nicht einmal ein kurzes Kontroll-EEG, geschweige denn ein >24h EEG. So steht für uns auch ein deutschsprachiges Patientenregister auf unserer Agenda und wir möchten die klinische Forschung rundum das Syndrom vorantreiben. Dazu stehen wir auch im engen Kontakt mit internationalen Dup15q-Organisationen.
Auch SUDEP wird bei Ihrem Verein regelmäßig thematisiert. Sie wollen, dass alle Mitglieder das Risiko kennen und auch wissen, was zu tun ist. Wir finden Ihren Umgang mit dem Thema ganz wunderbar, weil Sie ganz selbstverständlich und nebenbei das Schweigen brechen. Danke. Aber wie kommt es, dass das Thema so präsent ist?